C.S. Neuhaus Bücher

 



 

 

B.O.S.S. - Über das Einsame

 

 



»Der Boss ist ein Scheißarschloch!«

Sabine kam heulend und wütend nach vorne zum Wachraum. In ihrem Gesicht zeichneten sich rote Flecken ab und ihr eigentlich weicher, weiblicher Gesichtsausdruck, den sie sonst immer hatte, war verschwunden. Man las nur noch Wut und Traurigkeit.

»Hi, Lou«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab.

»Hi, Bine.« Mitfühlend sah ich sie an.

Ich saß an einem der Schreibtische und malte Spiralen und keltische Dreiecke auf die Unterlage, während Thomas in eine Zeitschrift über die Bergwelt Italiens vertieft war und Farid irgendwelche Haftbefehle bearbeitete. Alle anderen Kollegen waren noch auf der Straße und versuchten, für Recht und Ordnung zu sorgen. Offensichtlich war auf den Straßen wenig los, weil Thomas nur selten den Funk betätigen musste.

Sabine schnupfte laut in ein Taschentuch. »Einen Tag brauch ich nur frei! Nur um einen Tag habe ich gebeten! Um einen beschissenen Tag!«

Farid stand auf, legte die Haftbefehle zur Seite und versuchte, Sabine zu beruhigen, die sich scheinbar immer mehr in ihrer Wut und Traurigkeit verlor.

Farid war der Vertreter vom Boss und ich schätzte ihn sehr. In meinen Augen besaß er hervorragende Führungsqualitäten, weil er immer besonnen und ruhig war. Eigentlich das Gegenteil vom Boss. Er war der Ruhepol der Dienstgruppe und wir alle wunderten uns sehr, weil ausgerechnet Farid sich blendend mit Luke, dem Boss, verstand.[1]

»Sabine, wir haben morgen und übermorgen frei, da schafft man doch ’ne Menge. Da kannst du mit Jürgen richtig Gas geben und ich bin auch noch da, wenn ihr Hilfe braucht. Ich hab nichts geplant fürs Wochenende!«

Sabine nahm Farid flüchtig in den Arm. »Danke Farid. Total lieb von dir, deine Hilfe anzubieten. Trotzdem könnte er mir doch mal einen Tag frei geben! Ich versteh den Boss einfach nicht. Nur den Montag! Dann hätten wir drei Tage, in denen wir was machen könnten«, regte sich Sabine wieder auf und eine neue Welle von Tränen rollte an.

Zu allem Überfluss war Rüdiger, Sabines Partner, mit dem sie immer einen Streifenwagen besetzte, auch noch krank und sie fühlte sich mehr als überflüssig. Jasper, der Neue, der für Maik in die Dienstgruppe gekommen war, hatte sich den heutigen Tag freigenommen. Allerdings hatte er sehr viele Überstunden und ausschließlich das zählte für Luke. Hatte man Überstunden, durfte man freinehmen. Hatte man keine, konnte man sich nicht freinehmen, auch wenn man versprach die Stunden wieder gutzumachen, in dem man drauf achtete, hier mal zwei Stunden länger zu bleiben, oder da mal einen Sondereinsatz mitzufahren.

»Warum brauchst du frei?«, fragte ich leise und legte den Stift zur Seite.

»Ach, Jürgen und ich haben doch ein Haus gekauft und wir wollten renovieren.«

Thomas, der Dienstälteste, hatte seine Bergzeitschrift wieder in seine Tasche gesteckt, stand ebenfalls auf und streichelte Sabine väterlich über den Rücken, wie er es bei uns allen immer tat, wenn einen von uns etwas belastete. »Hör mal, Sabine, ich spreche mal mit dem Boss.«

Sabine nickte kurz Thomas zu: »Ist lieb von dir, lass mal. Ich melde mich krank! Der wird noch sehen, was er davon hat! Lou, bleibt unter uns, ja?« Ein entschlossener Ausdruck trat in Sabines Gesicht und ebenso entschlossen band sie sich ihre blonden, schulterlangen Haare erneut zu einem strengen Zopf.

»Klar!«

Farid hingegen schaute Sabine böse an und schüttelte kurz den Kopf. »Ist ja nun keine Lösung, sich einfach krank zu melden.«

»Hast du ’ne bessere Idee?«, zischte sie und funkelte Farid wütend an. Der hob nur die Hände und schaute wieder auf seine Arbeit.

»Soll ich mal mit ihm sprechen? Vielleicht kann ich ihn dazu bewegen, dir wenigstens einen Tag freizugeben. Ich kann nichts versprechen, aber eventuell bringt es was«, sagte ich vorsichtig und wusste eigentlich schon tief im Inneren, es würde natürlich nichts bringen. Hatte Luke sich einmal entschieden, machte er keine Ausnahme mehr.

Sie setzte sich halb auf meinen Schreibtisch, schaute kurz auf die keltischen Zeichen, die ich gemalt hatte, ehe sie mich entschlossen ansah.

»Du kannst es gerne versuchen, aber bei dem änderst auch du nichts. Arschloch bleibt Arschloch«,[2] entgegnete sie und schaute unweigerlich entschuldigend. »Sag ihm das nicht, okay?«, flüsterte sie und warf einen vorsichtigen Blick zu Farid, der weitere Haftbefehle durchlas und offensichtlich so tat, als habe er das Wort ›Arschloch‹ nicht gehört.

»Tu ich natürlich nicht. Keine Sorge. Ich weiß ja, wie er ist.«

Obwohl alle wussten, dass Luke und ich zusammen waren, schlossen sie mich nicht aus und sprachen ganz offen über ihn. Und leider war er eben einfach oft ein Arschloch, da konnte selbst ich nichts dran drehen oder versuchen, diese Tatsache schönzureden. Wir hatten alle gedacht und sicher auch gehofft, er würde sanfter, nachdem sein Leben nun wirklich arg auf der Kippe stand, doch das blieb wirklich nur ein Gedanke. Gerade im Dienst bekam man den Eindruck, er sei schlimmer als je zuvor.

Eigentlich hatte ich mich auf diesen Abend besonders gefreut. Meine Schwester Lina, die ich im Krankenhaus besucht hatte, nachdem ich eine weitere Stunde bei der Psychologin gesessen hatte, um über Themen zu sprechen, die eigentlich gut und sicher in meinem Unterbewusstsein eingesperrt waren, hatte mich nach ihrem Dienst zur Wache gebracht. Und wenn Luke Feierabend haben würde, wollten wir zusammen in meine Wohnung fahren und uns im Bett einen Film anschauen.

Für Luke begann morgen sein freies Wochenende, was durch den Schichtdienst nur einmal im Monat vorkam, und ich hatte zurzeit nur Schule und somit natürlich jedes Wochenende frei. Nachdem nun aber klar war, dass er wieder mal eine Scheißlaune hatte, konnte ich mir einen ruhigen Abend wohl von der Backe putzen. Und was ich mir zusätzlich noch von der Backe putzen konnte, war die vorsichtige Frage, ob ich mein nächstes Praktikum wieder in seiner Dienstgruppe absolvieren durfte. Heute Abend war sicherlich ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für diese Frage. Und tief im Inneren kannte ich bereits die Antwort.

»Ich betrete mal die Höhle des Löwen«, sagte ich, ignorierte die Äußerung von Sabine und Thomas, die murmelten, doch lieber noch zehn Minuten zu warten, und ging zum Büro. Sich selbst ein Bild von seiner Laune zu machen war immer noch am besten. Wobei ich nicht glaubte, dass Sabine übertrieben hatte. Ich vermutete fast eher das Gegenteil.

Ich klopfte an und wartete geduldig, bis ich ein wütendes »Herein« hörte. Okay, er hatte ’ne Scheißlaune, das hörte ich bereits an diesem einen Wort …

Ich trat ein und wartete, bis er mich ansah.

»Hi«, sagte ich schüchtern und versuchte in seinem Gesicht zu lesen, wie schlimm sein Gemütszustand war. Er war sehr schlimm. Ganz offensichtlich. Er sah genervt aus. Seine dunkelbraun-grauen Haare fielen ihm unordentlich in die Stirn, was Zeichen dafür war, dass er sich häufig mit den Fingern gleich beider Hände durch die Haare gefahren war. Das passierte nur, wenn ihn etwas belastete. Was es war, wusste ich nicht. Eigentlich war alles gut. Eigentlich sollte er sich auf unseren gemeinsamen Abend und das freie Wochenende doch freuen …

»Kommt noch was? Oder wolltest du nur ›Hi‹ sagen.«

Hallo, Zornesfalte, lang nicht mehr gesehen.

»Ich wollte fragen, ob ich uns gleich noch was zu essen machen soll«, fragte ich und versuchte zu erkennen, ob etwa auch sein Kiefer angespannt war. Wäre dies der Fall, wäre es in der Tat besser gewesen, zehn Minuten zu warten, meist entspannte er sich dann wieder.

Luke schaute erneut auf den Bildschirm und tippte weiter.

»Mmh«, hörte ich nur.

»Äh, heißt das ja?«, fragte ich vorsichtig.

»Ja. Sonst noch was?«, flüsterte er und schaute mich nicht an. Ich schüttelte nur den Kopf und wollte mich gerade zur Türe drehen, da klopfte es plötzlich laut. Ich schreckte zurück. Die Tür sprang auf, ohne, dass Luke ein ›Herein‹ verlauten ließ. Na, derjenige konnte sich auf was gefasst machen!

»Oh, guten Abend Frau Greben!« Herr Lammert kam rein und sah mich verblüfft und belustigt zugleich an.

Nach meiner anfänglichen Starre fand ich endlich meine Sprache wieder. »Guten Abend Herr Lammert«, nuschelte ich mehr, als dass ich es sagte.

Herr Lammert arbeitete bei der Kripo und hatte mich vor sechs Monaten nahezu gedrängt, zuzugeben, dass Luke mich im Fitnessraum gefesselt hatte. Er war ein hochgewachsener Mann mit lichtem Haar und wenn er sprach, gestikulierte er fast wie ein feuriger Italiener. Ich mochte ihn nicht. Er machte immer einen aufgesetzten Eindruck. Umso überraschter war ich über seinen Besuch und darüber, dass er sich die Frechheit rausgenommen hatte, einfach einzutreten, ohne auf das HEREIN zu warten. Wir mussten alle auf ein Herein warten! Selbst ich!

Luke war inzwischen aufgestanden, kam auf uns zu, nahm Herrn Lammert in den Arm und beide klopften sich freundschaftlich auf die Schulter.

War ich im falschen Film, oder was?

»Tom, nice to meet you«, sagte Luke lachend. »Komm, setz dich doch.«

Herr Lammert setzte sich, nachdem er den Knopf seines alten Jacketts geöffnet hatte.

»Möchtest du was trinken?«, fragte Luke ihn freundlich, ich stand nahe der Tür mit offenem Mund.

»Weißt du was, ich nehme noch ’nen Kaffee«, entgegnete Herr Lammert und drehte sich im Stuhl umständlich zu mir um. »Na, Frau Greben, besuchen sie Ihren Boss?«, fragte er mich, zwinkerte mir lächelnd zu und wartete offensichtlich darauf, dass ich etwas sagen würde.

Immer noch blieb mir der Mund offen stehen und kurzzeitig dachte ich, die ganze Szene würde sich nur in meinem Kopf abspielen. Aber sie war echt … und wie …

Luke hatte sich auch wieder gesetzt und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wir sind fertig. Du hast ja gehört, einen Kaffee.«

Ich verharrte kurz und sah Luke verwundert an, weil ich im ersten Moment gar nicht verstanden hatte, was er sagte.

»Danke, Lou, das wäre dann alles!« Luke hatte die Brauen wieder tief ins Gesicht gezogen und funkelte mich wütend an.

»Einen Kaffee also«, murmelte ich, drehte mich um und verließ das Büro. Ich stapfte aus einer Mischung von Wut, Zorn, Entsetzen und Verwunderung in die Küche und begann Kaffee zu kochen. Völlig irritiert sah ich dem braunen Wasser zu, wie es langsam die Kanne füllte.

Veronika, das Model der Dienstgruppe – jedes Mal, wenn ich sie sah, konnte ich mir nicht erklären, wie so ein Weibchen auf die Idee gekommen war, Polizistin zu werden – kam auf einmal ziemlich aufgeregt in die Küche gelaufen, schaute kurz zum laufenden Kaffee, dann zur Uhr, schüttelte den Kopf und fasste mich an den Schultern an.

»Lou, hast du es schon gehört?«

»Ne, was? Dass Herr Lammert offensichtlich mit dem Boss befreundet ist, oder was?«, fragte ich kopfschüttelnd und füllte den Kaffee in eine Tasse.

»Ach das, ne, das ist ja nichts Neues. Sie haben Maik gesichtet, aber er ist ihnen wieder entwischt. Du, der war in Süddeutschland! Verrückt, oder?«

Mein Körper begann zu zittern. In meinem Kopf drehte sich für einen kurzen Moment alles und ich spürte selbst, wie ich für den Bruchteil einer Sekunde ins Wanken kam.[3]

»Wo … also ich meine, ja. Äh, woher weißt du das?«, stotterte ich, hielt mich an der Küchenzeile fest, versuchte, meine Lippen mit meiner Zunge anzufeuchten und sah Veronika mit großen Augen an.

Veronika schüttelte ihr blondes, langes Haar zurück auf ihren Rücken und beugte sich dicht an mein Ohr.

»Wir haben Herrn Lammert noch vor der Tür getroffen und der erzählte das«, flüsterte sie, als habe sie Sorge, dass der Boss sie hören könnte.

Allen aus der Dienstgruppe war es strikt untersagt, mit mir über den ›Fall‹ zu sprechen. Und doch taten es alle, weil sie der Meinung waren, dass auch ich ein Recht darauf hatte, zu erfahren, was mit Maik war, wie der Fall sich entwickelte und ob es Neuigkeiten gab.

Ich lehnte mich weiter gegen die Küchenzeile, aus Angst, ohnmächtig zu werden. »Was will er in Süddeutschland? Wenn er Rache will, warum ist Maik dann nicht hier?«, flüsterte ich zu Boden schauend.

»Vielleicht will er gar keine Rache. Vielleicht ist er einfach nur damit beschäftigt unter keinen Umständen geschnappt zu werden. Er weiß, was ihm blüht, wenn der Boss ihn in die Finger bekommt!«, sagte Veronika, als spräche sie von einem Rezept.

Marlene kam in die Küche geschlendert und Veronika und ich wechselten schnell das Thema. Wenn man nur den Namen Maik erwähnte, brach Marlene augenblicklich in Tränen aus, ich hingegen begann nur zu zittern.

»Sag mal, woher kennt Luke Herrn Lammert eigentlich?«, fragte ich.

Veronika lachte. »Du, die haben schon als Kinder zusammen gespielt. Herr Lammert hat im gleichen Ort in Irland, wo Luke gewohnt hat, seine Ferien verbracht. Also seine Mutter war ja auch Irin. Wusstest du das nicht?«

»Äh, nein.« Ist ja interessant …

Marlene schaute auf den Kaffee in der Tasse. »Jetzt noch Kaffee trinken, kannst du da überhaupt noch schlafen?« Sie zog aus ihrer Tasche zwei Haargummis heraus und reichte Veronika eines. Beide banden sich schnell die Haare zu einem Knoten im Nacken zusammen, wobei Marlene immer mit ihren widerspenstigen blonden Locken zu kämpfen hatte, die nicht so wollten wie sie und zusätzlich unzählige Haarklammern wahllos im Haar befestigte. Ich wusste genau, warum sie sich die Haare eng zusammenbanden. Es ging langsam, aber sicher auf den Feierabend zu und Luke hasste es, wenn man im Dienst die Haare offen trug. Alle Frauen auf der Wache liefen nur noch mit einem Dutt rum … allerdings ersparte man sich so eine Diskussion, die man beim Boss ohnehin verlieren würde. Und Respekt vor Luke hatten alle.

Aus diplomatischen Gründen hatte auch ich mir angewöhnt, mir die Haare im Nacken zusammenzuknoten, wenn ich meine Ex-Kollegen auf der Wache besuchte. Wir sahen fast alle gleich aus, und zumindest das gab uns allen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Ich schaute kurz auf die Tasse und schüttelte den Kopf. »Ist für Herrn Lammert.«

Veronika und Marlene gingen nach vorne. Ich bestückte die Untertasse noch mit Zucker und Kaffeesahne und huschte damit vorsichtig zum Büro. Ich klopfte und fast zeitgleich rief Luke: »Herein.«

»Ihr Kaffee, Herr Lammert!« Ich reichte ihm den Kaffee, er nickte mir freundlich zu und trank sofort einen Schluck.

»Der ist aber kalt«, sagte er lächelnd.

»Na ja, wir sind hier keine Cafeteria«, entfuhr es mir ebenso lächelnd. Das Lächeln gefror mir allerdings, als ich in Lukes Gesicht sah. »Ich, ähm, ich geh dann mal.« Hastig drehte ich mich um und verließ das Büro.

 

Ich hatte noch geschlagene eineinhalb Stunden auf Luke gewartet. Die nächste Dienstgruppe war schon längst da und bereits ausgeschwärmt. Florian, der Dienstgruppenleiter vom Nachtdienst, hatte Luke und Herrn Lammert netterweise das Büro überlassen. Hätte ich gewusst, wie lange ich warten musste, hätte ich mich von Lina nach Hause fahren lassen, spätestens jedoch von Marie, die mir das auch anbot, als sie Feierabend machte. Dementsprechend war meine Laune so ziemlich auf dem Tiefpunkt.

Als wir endlich im Auto saßen und auf dem Weg nach Hause waren, sprudelten die Worte nur so aus mir heraus.

»Ich hätte es nett gefunden, wenn du mir erzählt hättest, dass du Herrn Lammert ja nun offensichtlich gut kennst! Außerdem finde ich es unverschämt von dir, mich so lange warten zu lassen.«

Luke fuhr ganz in Ruhe weiter.

»Ich musste heute eben länger arbeiten und dann musst du halt auch mal auf mich warten. Und was Tom betrifft, du hast mich nie gefragt«, antwortete er nach einigen Sekunden der Stille.

»Ach so, ich muss also alles erfragen, oder wie? Und deswegen war es dir auch ziemlich egal, wohlgemerkt vor einem halben Jahr, ob ich Herrn Lammert nun das Handy, auf dem das Video von dem Überfall war, gegeben hätte oder nicht! Er hätte dich so oder so geschützt, hab ich recht?«, fragte ich zickig und öffnete meine Haare.

Luke schaute mich kurz an und ich meinte, einen wütenden Blick zu erkennen. Wütend konnte ich auch schauen!

»Willst du mit mir streiten?«, fragte er und schaute wieder auf die Straße.

»Nein, das will ich nicht.« Innerlich zeigte ich ihm den Mittelfinger und schaute aus meinem Fenster.

 

Dankbar war ich, als wir endlich zu Hause waren. Luke stand in der Küche und trank ein Glas Wasser. Ich zog mir im Flur die Jacke aus und hängte sie auf.

»Wie war es bei Frau Doktor Versten?«, fragte er.

Die Sitzungen bei meiner Psychologin gingen mir ziemlich auf die Nerven, trotzdem versuchte ich aber, die Termine einzuhalten, so gut es ging. Alleine schon, um die Unterschrift zu bekommen, die Luke nach jedem Termin sehen wollte. Er machte das, weil ich vor einem halben Jahr die Besuche bei der Psychologin einfach abgebrochen hatte. Dieser eine Fehler (also für Luke war es ein Fehler gewesen), den ich damals gemacht hatte, sorgte nun dafür, dass Luke mich, was die Termine betraf, voll unter Kontrolle haben wollte. Lust, jetzt über die Stunde zu reden, hatte ich allerdings ganz und gar nicht.

»Gut«, gab ich knapp zurück.

»Worüber habt ihr gesprochen?«

Er konnte mal wieder nicht locker lassen. »Über das Gefühl von Angst«, gab ich zickig zurück. »Das Gefühl, das du mir gut beigebracht hast!«

Luke stellte sein Glas in die Spüle und kam langsam auf mich zu. Er schlug mir feste auf den Hintern, als ich gerade dabei war, den Schnürsenkel von meinem anderen Schuh zu lösen, und das anfängliche Brennen verfiel in ein unangenehmes Kribbeln.[4]  

»Au, was soll das? Mach nicht immer so feste«, fuhr ich ihn wütend an.

»Warum zickst du so rum?«, fragte er und lächelte dabei.

Seine ruhige Art kotzte mich in diesem Moment richtig an. Ich stellte mich bewusst an die Wand, weil ich keine Lust hatte, dass er mir wieder auf den Hintern schlug. Und ich bückte mich nicht mehr, um auch meinen anderen Schuh zu öffnen, sondern trat mit dem Fuß gegen die Hacke und zog ihn so aus.

»Ja, weißt du, das kann ich dir sagen! Ich verstehe nicht, warum du mir nicht gesagt hast, dass du Herrn Lammert ja offensichtlich gut kennst!« Seitdem ich Luke kannte, gab es auch in meinem Gesicht eine Zornesfalte, und die war jetzt deutlicher zu sehen, als jemals zuvor.

»Zeig mir erst mal den unterschriebenen Termin von Frau Doktor Versten«, sagte er immer noch ruhig.

Ich hatte das Gefühl, vor lauter Wut in die Luft gehen zu müssen.

»Darüber reden wir jetzt nicht«, schrie ich ihn an.

Luke packte mich unsanft am Arm und drehte mich um. Mit der anderen Hand drückte er mich an die Wand und zog aus meiner hinteren Hosentasche den Zettel raus, auf dem Frau Doktor Versten den Termin quittiert und den nächsten draufgeschrieben hatte. Das Ganze ging so schnell, dass ich noch nicht mal mehr den Satz ›lass mich los‹ über die Lippen brachte. Ich fühlte mich, wie so oft bei Luke, wieder mal total schwach.

Er ließ mich los und schaute auf die Unterschrift. »Good Girl«, flüsterte er.

Ich schrie in Gedanken, dass er mich mal konnte, stapfte wütend ins Badezimmer und schloss die Tür ab. Eine halbe Stunde später kam ich aus dem Bad, nachdem ich mich in Ruhe abgeschminkt und gewaschen hatte und war deutlich ruhiger als zuvor. Zu meiner Überraschung hatte Luke uns einen Salat gemacht und lag auf meinem Bett mit einer riesigen Schüssel in der Hand, zwei Gabeln lagen auf dem Nachttisch. Er zappte sich durch diverse Fernsehprogramme, machte den Apparat aber aus, als er mich kommen sah. Er klopfte mit der Hand auf die linke Seite vom Bett … irgendwie gefiel es mir nicht, dass er plötzlich so freundlich war … Nicht, dass er zuvor unfreundlich war. Und doch irritierte mich, dass etwas im Ausdruck seiner Augen mit einem Mal sanfter war. Misstrauisch setzte ich mich aufs Bett. Er hielt mir eine Gabel hin und sah mich intensiv an. Sofort begannen die Schmetterlinge in meinem Bauch zu flattern, die inzwischen ein regelrechtes Eigenleben in mir führten. Den Versuch, die kleinen Biester zu dressieren, hatte ich irgendwann aufgegeben. Seine blauen Augen, umrahmt von dunklen Wimpern, eine widerspenstige braungraue Strähne fiel ihm ins Gesicht, der Dreitagebart, sein markantes Gesicht, alleine das ließ die Schmetterlinge fliegen. Jedes Mal. Es gab Momente, da konnte ich mich gar nicht an ihm sattsehen. Meist waren das auch die Momente, in denen ich mir ganz bewusst sagte, dass ich seine herrschsüchtige Art in Kauf nahm, zu schön war er, als dass dies ein Grund gewesen wäre, ihn zu verlassen. Die Devisen „Schönheit ist nebensächlich“ trat, wenn ich ihn ansah, völlig in den Hintergrund.

»Danke, dass du einen Salat gemacht hast«, sagte ich leise und nahm die Gabel entgegen.

Wir aßen beide aus der Schüssel und waren für den Moment still. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Luke sich entspannt hatte. Eigentlich sah er ganz friedlich aus. Dann wäre dies der passende Moment, ihm schon mal eine Frage zu stellen, die andere hob ich mir für später auf.

»Was wollte Herr Lammert von dir?« Ich starrte auf meine Gabel, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen.

»Was Dienstliches«, antwortete er und aß weiter.

»Was denn Dienstliches?« Ich wurde leiser.

»Nichts, was dich interessieren müsste!«

»Na ja, wenn es um Maik geht, interessiert mich das sehr wohl!« In Gedanken schlug ich die Hände über den Kopf zusammen. Mein Manko hatte sich kurz blicken lassen … vorschnell zu reden, ohne vorher drüber nachgedacht zu haben. Jetzt war es gesagt.

Luke holte tief Luft. »Wer hat dir davon erzählt?«, fragte er monoton.

Ich konnte es nicht sehen, aber ich meinte, dass er diesen Satz zwischen zusammengebissenen Zähnen gesagt hatte, zumindest hörte es sich so an. Okay, dachte ich, warum jetzt mit alten Gewohnheiten brechen?!

»Hat dich nicht zu interessieren«, entgegnete ich und aß provokant weiter.

Luke nahm mir die Gabel aus der Hand, ließ sie mit seiner in die Schüssel fallen und stellte diese auf den Boden.

»Wenn dir jemand aus MEINER Dienstgruppe davon erzählt hat, interessiert mich das sehr wohl. Ich hatte verboten, mit dir darüber zu sprechen!«

Seine ruhige, aber feste Stimme beunruhigte mich. Meist war das der Zeitpunkt, wo ich sagen konnte, was ich wollte – er würde trotzdem ausflippen. Es war also völlig egal. Im Grunde konnte ich jetzt sagen, was ich wollte und das tat ich auch.

»Tja, ich sag es dir aber nicht! Wir wollen ja nicht, dass noch jemand weinen muss, oder?« Ich rutschte ein Stück von ihm weg und starrte auf den schwarzen Bildschirm, zusätzlich hatte ich die Arme vor der Brust verschränkt.

Luke packte mich und zog mich zurück. »Was ist eigentlich dein Problem heute Abend?«, fragte er und sah mich ernst an.

»Herr Lammert hatte mich fast schon dazu gedrängt, zuzugeben, dass du mich im Fitnessraum gefesselt hast«, sagte ich leise und versuchte mich aus seinem festen Griff zu lösen. »Wieso?«

Zu meiner Überraschung lachte Luke laut und ließ mich endlich los. »Ja, das ist Toms Art.« Er wurde wieder ernst. »Willst du jetzt noch weiter diskutieren, oder bist du fertig?«

»Nein, ich bin noch nicht fertig. Sag es doch einfach.«

Luke verdrehte die Augen. »Ich denke, er wollte etwas aus dir herauskitzeln. Eine altbewährte Methode. Zufrieden mit der Antwort?«

Ich presste die Lippen fest zusammen. »Es geht. Ich frage mich …«

Luke fiel mir ins Wort. »Du, Lou, brauchst dich gar nichts mehr fragen! Hör endlich auf, immer weiter in diesem Scheißfall zu rühren! Hast du das verstanden?«

Ich hustete kurz. »Maik ist noch nicht gefasst, er läuft immer noch frei rum, und Ratte ist verschwunden. Ich kann nicht tun, als sei nichts!«

Luke setzte sich gerade hin. »Wie kommst du darauf, dass Ratte verschwunden ist?«, fragte er monoton.

Shit … das wollte ich ihm eigentlich nicht erzählen …

Ich machte mit der Hand eine Bewegung die ›egal‹ signalisierte und stand auf. »Ich … lass uns einfach aufhören damit«, sagte ich etwas genervt. »War blöd von mir. Tut mir leid«, fügte ich schnell hinterher und zog mich bis auf die Unterwäsche aus, dann schlupfte ich unter die Decke.

Luke hatte sich auf die Kante vom Bett gesetzt und starrte auf den Boden. Ich streichelte ihm über den Rücken. Keine Regung. Ich setzte mich auf und krabbelte zu ihm, kniete mich hinter ihn und biss ihm vorsichtig in den Nacken.

»Komm ins Bett, Baby«, flüsterte ich.

Gut, er war sauer.

Ich zog mein Unterhemd aus, küsste ihn auf den Hals und presste meinen Oberkörper gegen seinen breiten Rücken. Meine Hände glitten über die harten Wölbungen seiner Brust. »Ich liebe dich«, hauchte ich ihm ins Ohr und rutschte auf seinen Schoß.

Ein angenehmes Gefühl breitete sich in mir aus, als er endlich seine Arme um meinen Körper schlang, mich noch dichter zu sich zog und begann, mich sanft zu küssen.

»Ich will, dass du mit dem ganzen Scheiß nichts mehr zu tun hast, verstehst du das?«, sagte er leise und biss mir sanft in meine Unterlippe. Ein Kribbeln erfasste meinen ganzen Körper.

Immer, wenn Luke mich küsste, vergaß ich jene Seite an ihm, die mir Angst machte, dann war er einfach nur Luke und nicht der ›Boss‹ und dafür liebte ich ihn.

Ich ließ meine Zunge in seinen Mund gleiten und versiegelte seine Lippen mit meinen. Ich wollte nicht mehr reden. Ich wollte ihn. Ohne Worte. Morgen wäre auch noch ein Tag zum Reden.  

Mit gespreizten Fingern fuhr ich ihm durch seine Haare und zog ihn sanft zu meiner Brust. Mein Kopf fiel in den Nacken und ein Stöhnen kam über meine Lippen, als Luke in meine Brustwarze biss und dann begann, zart daran zu saugen. Sein Dreitagebart machte die Haut auf meinem Busen noch empfindlicher, als sie ohnehin schon war, und ich merkte, wie sich in mir alle Muskeln langsam begannen zusammenzuziehen. Mit der Hand fuhr er meinen Rücken runter und die leichte Berührung hinterließ eine heiße Spur auf meiner Haut. Ein süßer Schmerz erreichte mich, als Luke erneut in meine Brustwarze biss. Die Süße verschwand allmählich und war nur noch Schmerz.

»Au, nicht so feste«, stieß ich hervor.

»Wer hat dir das mit Maik erzählt?«, nuschelte Luke.

»Das will ich dir nicht sagen. Lass endlich los!«

Luke ließ ab von mir und ich hätte ihm in diesem Moment am liebsten eine geknallt. Ich rutschte von ihm runter und legte mich wütend unter die Decke.

»Was ist los?«, fragte er erstaunt.

»Äh, was los ist, entschuldige mal, du hast mich gerade gebissen!«, sagte ich entsetzt.

Luke rutschte zu mir rüber, ich drehte mich zur Seite, von ihm weg.

»Pass auf Lou, ich zeig dir was!« Er griff an meinen Hals.

»Hör auf«, sagte ich wütend und versuchte, seine Hand von meinem Hals zu ziehen, jedoch ohne großen Erfolg. Ich will nicht sagen, dass ich Panik hatte, keine Luft mehr zu bekommen, aber das Gefühl war alles, nur nicht schön.

»Lou, wer hat dir das erzählt?« Ich lachte nur abwertend und versuchte weiterhin, seine Hand von meinem Hals zu ziehen. »Sabine? Nein, Sabine hat es nicht erzählt. Marlene?«

»Das ist lächerlich, Luke«, entgegnete ich leicht gereizt.

»Ne, Marlene war es auch nicht. Warte, wen haben wir denn noch … ach ja, Veronika?«

Für den Bruchteil einer Sekunde spürte ich, dass mein Herz schneller schlug, ehe ich mich bewusst zur Ruhe zwang.

»Veronika war’s! Veronika hat dir von Maik erzählt. Na warte.« Luke nahm seine Hand von meinem Hals, ich drehte mich zu ihm und sah ihn entsetzt an.

»Das ist doch …«, begann ich und wusste gar nicht mehr, was ich dazu sagen sollte.

»Du bist für mich leicht zu durchschauen, also Lou, in Zukunft besser gleich mit der Wahrheit rausrücken!« Er grinste mich an, seine Augen waren jedoch starr auf mich gerichtet.

»Ach, lass mich in Ruhe«, entgegnete ich und drehte mich wieder von ihm weg.

Luke stand auf, zog sich aus und ging ins Badezimmer. Ich drehte mich auf den Rücken und schaute zur Decke. Maik war in Süddeutschland … und sie hatten ihn immer noch nicht gefasst. Unglaublich. Und Ratte war wie vom Erdboden verschluckt, wie Thomas mir nebenbei erzählt hatte, als wir letzte Woche alle kegeln waren. Es wurde mir immer nur heimlich erzählt, wenn jemand über den Fall etwas Neues erfahren hatte. Luke wollte mich aus allem raushalten. Und eigentlich hatte ich es regelrecht trainiert, möglichst desinteressiert zu wirken, wenn der Name Maik fiel. Außer heute Abend, weil ich so wütend war. Wütend darüber, solange auf Luke warten zu müssen, wütend darüber, aus allem rausgehalten zu werden, wütend darüber, die Angst, die ich spürte, sobald über Maik oder generell über den Fall gesprochen wurde, nicht unter Kontrolle zu haben und wütend darüber, dass Luke es fertig gebracht hatte, mir ein halbes Jahr zu verschweigen, dass er bereits seit seiner Kindheit mit Tom Lammert befreundet war.

Luke riss mich aus meinen Gedanken, als er ins Zimmer kam. Und wie immer raubte es mir fast den Atem, wenn er nur mit einer Schlafanzughose bekleidet war.

Er rutschte unter die Decke und packte mich an den Hüften fest. »Ist jetzt Schluss mit zicken, oder machst du weiter?«, fragte er schmunzelnd und ich konnte ein kleines Lächeln nicht verhindern und hoffte sehr, dass Luke das nicht sah.

Ich verdrehte die Augen. »Ich zicke nicht«, gab ich hochnäsig zurück und versuchte, ernst zu bleiben.

Lukes Hand wanderte über meinen Bauch bis hin zu meinem Höschen, das einzige, was ich noch trug, und ließ seine Hand unter den Stoff gleiten. Er ließ mich nicht aus den Augen. Noch bevor er mich mit seinem Finger verwöhnen konnte, hielt ich seine Hand fest.

»Ich will nicht, dass du mich jetzt anfasst, verstanden? Ich bin sauer auf dich!« Ich schob seine Hand von mir weg und schaute demonstrativ in die andere Richtung.

»No, you`re not«, nuschelte Luke mit seinen Lippen auf meiner Brust.

»Geh weg da!«, sagte ich warnend und drückte ihn an der Stirn zurück.

Luke sah mich immer noch schmunzelnd an, dann setzte er sich auf und packte blitzschnell meine Handgelenke fest.

»Lass mich los«, sagte ich wütend und versuchte, mich aus dem festen Griff zu befreien.

Das Lächeln in Lukes Gesicht war verschwunden. »Weißt du was, Lou? Ich bin auch sauer auf dich.« Er packte meine Handgelenke mit einer Hand fest. Seine andere Hand wanderte über meinen Bauch erneut zu meinem Schritt. Ich versuchte, mich aus dem Griff zu befreien.

»Ich habe Nein gesagt!« Ich hörte auf, mich gegen seinen Griff zu wehren, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, als Luke mit seinem Finger begann, mich zu verwöhnen. »Meine Strafe für dich war eigentlich, nicht mit dir zu schlafen«, flüsterte ich stöhnend und merkte, wie ich immer feuchter wurde.

»Ich will auch nicht mit dir schlafen«, flüsterte Luke mir ins Ohr und sein Dreitagebart, der an meiner Wange entlang streifte, ließ mich erzittern.

»Was hast du vor?«, stöhnte ich mit geschlossenen Augen, als er zwei Finger in mir versenkte. Mein Körper spannte sich an. 

»Soll ich dir das zeigen, Lou?«, flüsterte er und schob seine Finger langsam vor und zurück.

Luke ließ ab von mir, kniete sich hin, legte die Decke zur Seite und zog mir den Slip runter bis zum Oberschenkel. Ich versuchte, ihn mit einem Fuß ganz runterzuziehen, doch Luke signalisierte mir ein Nein.

»Was soll das?«, hauchte ich.

Er schmiss die Decke auf den Boden, zog seine Hose aus, packte meine Beine und legte sie sich über die Schultern.

Als wir das letzte Mal diese Stellung gemacht hatten, tat es weh. Zu tief kam er so in mich und zu groß war sein Penis. Ich versuchte meine Beine runterzunehmen, doch dadurch, dass mein Höschen nur ein Stück runtergezogen war, funktionierte das nicht. Ich war mal wieder, wie so oft bei Luke, gefangen … 

Er bemerkte meine anfängliche Angst. »Ich bin vorsichtig«, flüsterte er und ich spürte, wie er langsam in mich eindrang. Ich biss automatisch die Zähne zusammen. Er drang tief in mich ein und dadurch, dass mein Körper sofort reagierte und sich sämtliche Muskeln zusammenzogen, hatte man noch mehr das Gefühl, dass etwas zu Großes in etwas zu Engem Platz finden wollte. Obwohl es hart an der Schmerzgrenze war, war es überwältigend, als Luke sich sachte bewegte und ich spürte bereits nach wenigen Sekunden, dass ich es in dieser Stellung nicht schaffen würde, den Orgasmus zu kontrollieren. Und wenn ich ehrlich war, funktionierte das nie bei Luke.

Ein tiefes Grollen kam aus Lukes Brust und er sah verschleiert auf mich herab.

»Okay?«, fragte er stöhnend.

Ich nickte, ich wäre nicht in der Lage gewesen zu sprechen.

Lukes Stöße wurden härter und es fiel mir immer schwerer, den anfänglichen Schmerz auszuhalten. Ich war am Limit. Enger konnte ich nicht mehr werden und ich sehnte den Orgasmus herbei.

Plötzlich verharrte Luke. Schweiß glänzte auf seinem Körper, seine Arme zitterten.

»Was ist los?«, fragte ich außer Atem.

Luke schnaufte. »Ich glaube, ich bin noch nicht wieder so ganz fit«, gab er fast schon keuchend von sich. »Ich muss mal wieder mit dem Laufen anfangen!«

Er zog sich langsam unter meinen Beinen weg, kniete und rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht.

Ich zog meine Unterhose ganz runter und kniete mich vor ihm hin. Zart streichelte ich sein Gesicht. »Geht es wieder?« Luke lächelte vage.

»Leg dich hin«, flüsterte ich und zu meiner Überraschung sah ich, dass Luke ausnahmsweise Mal auf mich hörte.

Ich glitt langsam zwischen seine Beine und leckte träge über seine Erektion, bevor ich sie mit meinen Lippen umschloss und feste daran saugte. Luke stöhnte laut. Ich ließ ihn aus meinem Mund gleiten und hatte den metallischen Geschmack meiner Lust auf der Zunge. Sanft küsste ich über seine Lenden und über die große Narbe, von dem Einschuss sechs Monate zuvor. Es hatte lange gedauert, bis Luke sich soweit erholt hatte, dass er seinen Dienst wieder antreten konnte, und auch hatte es lange gedauert, bis wir uns wieder angenähert hatten … aber diese Zeit war vorüber. Doktor Jekyll und Mister Hyde wurden abgelöst durch Luke und leider manchmal auch den Boss.

Ich rutschte vorsichtig über seinen Körper und setzte mich auf ihn. Ich stöhnte erleichtert auf, blieb einfach sitzen und genoss das Gefühl, ihn in mir zu spüren. Dann begann ich mich langsam zu bewegen. Ich schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Meine Bewegungen wurden schneller und fast schon erschrak ich, als Luke mich an den Hüften festhielt und mein Auf und Ab stoppte. Ich sah ihn an.

»Baby, setz dich verkehrt herum drauf!« Luke lächelte lüstern und zwinkerte mir zu.

Diese Stellung, die er jetzt vorschlug, war die erste gewesen, die wir gemacht hatten und ich erinnerte mich, als sei es erst gestern geschehen, als meine Blase nach einem alles umschlingenden Orgasmus nachgelassen hatte … ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.

»Meine Blase ist leer«, flüsterte ich schmunzelnd und tat ihm den Gefallen.

Luke kniete sich hin und fast schon sanft hob er mich auf seinen Schoß. Ich ergab mich dem Wahnsinnsgefühl, was entstand, als er tief in mich eindrang. Mein Kopf fiel in den Nacken, als Luke meine Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger fest umschloss und wie damals mit einer Hand zwischen meine Beine griff und begann, meine Göttin zu massieren. Ich bewegte mich nur langsam.

Das Vergnügen war leider nicht von langer Dauer und es wunderte mich nicht … Luke hatte Schwierigkeiten damit, wenn er über irgendwas nicht die Kontrolle hatte – und wir reden hier nicht nur vom Sex. Das war eine Sache, die ich nun ziemlich genau an ihm kannte und ich akzeptierte das in der Hoffnung, ihm irgendwann mal schmackhaft zu machen, dass ich ab und an die Zügel in der Hand haben könnte und es ihm vielleicht gefiele, zumindest sexuell …  

Er packte mich plötzlich grob im Nacken und drückte mich nach unten. Er selbst kniete hinter mir, ohne dabei aus mir rauszugleiten. Es störte mich nicht mehr, dass Luke mich in dieser Stellung sah, dass er alles sah und ich keine Geheimnisse mehr hatte. Er kannte meinen Körper inzwischen besser als ich selbst. Und doch beschlich mich ein ungutes Gefühl.

Er hielt mich mit kräftigem Griff an den Hüften fest und stieß unerbittlich zu. Sein lautes Stöhnen machte mir Angst. Sein fester Griff um meine Hüften machte mir Angst.

»Luke, bitte nicht so feste«, versuchte ich verzweifelt zu sagen. Sein Stöhnen war aggressiver. Sein Griff fester. Die Stöße massiver und nicht genug– ich spürte genau, dass sein Kiefer angespannt und auch die Zornesfalte deutlich zwischen seinen Brauen zu sehen war.

»Das magst du doch«, keuchte er.

Ich schüttelte den Kopf. Sprechen konnte ich nicht mehr. Durchaus konnte er sehr zärtlich sein, doch nicht, wenn wir zuvor gestritten hatten. Meist war der Sex dann hart und manchmal auch ein Stück weit brutal.

Er schlug mir dreimal so fest auf den Hintern, dass ich aufschrie.[5] Er hatte mir öfter, wenn er mich von hinten nahm, auf den Po geschlagen und es hatte mich angetörnt und den kommenden Orgasmus beschleunigt. Dieses Mal war es etwas anderes. Er hatte viel fester zugehauen und der Schmerz brachte mich weg von dem Gefühl, nahe dran zu sein. Ich fühlte mich in diesem Moment benutzt. Nicht mehr und nicht weniger.

Luke wurde langsamer. Ich war still. Kein Stöhnen kam über meine Lippen, anders als sonst. Ich hoffte, dass er schnell zum Höhepunkt kam, ich wollte nicht mehr. Ich wollte, dass er fertig wurde und mich in Ruhe ließ.

Luke verharrte in mir, packte meine Haare und zog meinen Kopf nach hinten. »Zickst du jetzt beim Sex auch noch rum?«

Ich antwortete nicht, mein zitterndes Kinn war Antwort genug und ich wusste, dass er es sah.

Er zog sich aus mir zurück, packte mich und drehte mich um, dann spreizte er meine Beine weit auseinander. Tränen bedeckten inzwischen mein Gesicht, aber es schien ihn nicht zu stören. Mit einem Ruck drang er erneut in mich ein. Er begann, sich langsam zu bewegen, und schaute mich an. Ich versuchte, so gut es ging, seinem Blick auszuweichen. Den Kopf zur Seite drehen konnte ich leider nicht, er hielt meinen mit beiden Händen fest und wischte mit seinen Daumen meine Tränen fort. Mein Innerstes begann sich zusammenzuziehen, obwohl ich gegen den Drang, loszulassen und dem Höhepunkt die Türe zu öffnen, ankämpfte.

»Your body belongs to me«, knurrte er.

Luke sprach zu mir meist dann in seiner Muttersprache, wenn er wütend war, sehr müde, oder aber, wenn er sich den Kopf zerbrach, wenn ihn irgendetwas wahnsinnig beschäftigte. Jetzt war er wütend.

Ich krallte mich in die Muskeln seiner Brust fest und versuchte ihn von mir runterzustoßen, jedoch ziemlich erfolglos. Mein Körper fing an zu schwitzen, meine Muskeln fingen ein leichtes Zittern an und als ich die riesige Welle vor meinem inneren Auge kommen sah, war es zu spät, vor ihr wegzulaufen …

Luke stützte sich auf seine Hände und ließ seine Hüften kreisen. Wild erreichte mich die Welle und schwappte schäumend über meinen nassen Körper. Ich schrie auf.

»See, it wasn`t that bad«, sagte Luke laut und deutlich, ehe er sich in mir ergoss.

[1] Farid ist immer ehrlich und freundlich zu mir, außerdem arbeitet er gut und exakt. Das schätze ich nun mal sehr. Und Farid schätzt das Gleiche an mir!

[2] Mmh …

[3] Ich hatte eigentlich, dachte ich jedenfalls, meine Dienstgruppe eingehend geimpft, Lou nichts zu erzählen. Nicht weil ich sie wie ein Kind sah, von dem ich alles Schlechte fernhalten wollte, sondern weil ich Sorge, wirklich Sorge hatte, dass Lou die Angst, mit der sie ständig zu kämpfen hatte, nicht in den Griff bekommen würde. Da kann man doch mal wieder sehen, wie wenig ich ernst genommen werde.

[4] Das war ein zärtlicher Klaps!

[5] Das war nicht so feste!

 

 

 


 

 
 

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